Uns allen ist es ein stetes Anliegen, die Zucht unserer Kleinen Münsterländer zu verbessern, um so gute, vielseitige und jagdlich taugliche Jagdhunde wie irgend möglich hervorzubringen. Eine der „Stellschrauben“, die für die Zucht jedoch von großer Bedeutung ist, ist das Wesen unserer Hunde.
DER UNERSCHÜTTERLICHE KlM – NUR DAS BESTE FÜR DIE ZUCHT
Uns allen ist es ein stetes Anliegen, die Zucht unserer Kleinen Münsterländer zu verbessern, um so gute, vielseitige und jagdlich taugliche Jagdhunde wie irgend möglich hervorzubringen. Eine der „Stellschrauben“, die für die Zucht jedoch von großer Bedeutung ist, ist das Wesen unserer Hunde. Im Folgenden soll es also schwerpunktmäßig um das Wesen als züchterischen Grundbaustein und generell um die Anforderungen an einen Zuchthund gehen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich auf diese sehr facettenreiche Reise begleiten.
Vielleicht gelingt es diesem kleinen Artikel ja sogar, den ein oder anderen Zuchtverantwortlichen (Züchter, Deckrüdenbesitzer, Funktionär etc.) zu motivieren, dem Wesen noch etwas mehr Beachtung zu schenken und sich vom hier aufgezeigten Weg inspirieren zu lassen– im Sinne der Zucht unserer großartigen Jagdhunderasse.
Bevor über den Einfluss des Wesens sowie Möglichkeiten zur Festigung des Wesens gesprochen werden kann, muss der Begriff „Wesen“ zunächst sauber definiert werden:
Das Wesen des Hundes besteht aus der Summe der angeborenen und durch äußere Umwelteinflüsse erworbenen Charaktereigenschaften, die die Persönlichkeitsstruktur des Hundes prägen und Einfluss auf dessen Verhalten haben. Zahlreiche einzelne Wesensmerkmale bilden in ihrer Gesamtheit also das Wesen des Hundes. Je störunanfälliger ein Hund auf Umweltreize reagiert, als desto wesensfester kann er bezeichnet werden.
Ob es ein Schuss oder ein Gewitter mit starkem Donner ist, abstreichendes oder flüchtendes Wild, diverse Laute vom Wild, Gerüche, heiße Hündinnen oder eine klagende Kreatur … – Umweltreize können sehr vielfältig sein. Unsere wesensfesten Hunde sollten auf all diese Umweltreize gelassen, souverän und maßvoll reagieren.
Damit dies gelingt, wird laut ZO nur mit wesensfesten und nervenstarken Hunden gezüchtet. Dieses Selbstverständnis wird seit einigen Jahren bei den JGHV-Prüfungen und unseren Zuchtschauen auch dokumentiert. So ist jeder Züchter und Deckrüdenbesitzer scheinbar auf der sicheren Seite. Da diese Momentaufnahme bzgl. des Wesens jedoch auch von der Tagesform sowohl des Hundes als auch seines Führers (der im schlimmsten Fall das reinste Nervenbündel ist, was sich evtl. auf den Hund überträgt) abhängt, kommt dem Urteilsvermögen von Besitzern der Zuchttiere eine sehr große Bedeutung zu. Denn diese kennen ihre Hunde und müssen sehr kritisch und ehrlich gegenüber unserer Zucht sein, ob ihr Hund auch tatsächlich für die Zucht geeignet ist und z.B. über ein starkes Nervenkostüm verfügt. Wild- und Raubwildschärfe setze ich als selbstverständlich voraus, denn nur ein solcher Jagdhund ist überhaupt jagdlich geeignet und brauchbar. Hunde, die den krankgeschossenen Fuchs mit „Sicherheitsabstand“ bellend bis zum nächsten Bau begleiten und dort seinem Schicksal überlassen, dienen nicht der waidgerechten Jagd. Nur wer ehrlich zu sich selbst ist und reflektiert handelt, dient hierbei unserer Zucht und damit der gemeinsamen Sache. Denn um nichts anderes sollte es gehen, wenn man sich mit Zuchtgedanken trägt. Leider wird dieser großen Verantwortung (meiner Meinung nach) in unserem Zuchtverband noch zu wenig Rechnung getragen. Es wird noch zu oft mit Hündinnen gezüchtet, die nur die Minimalanforderungen an die Zucht erfüllen und generell mit Hunden, die über keinen Härtenachweis verfügen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Nur wer sich intensiv mit der Materie auseinandersetzt, erkennt die zugrunde liegenden Dinge und kann entsprechend handeln. Vielleicht sagt sich der ein oder andere Züchter: Warum soll das eigene Zuchttier mehr leisten als das, was laut ZO verlangt wird, frei nach dem Motto: „Das gute Pferd springt nur so hoch wie es muss“? Diese Einstellung ist mit jagdlicher Leistungszucht kaum vereinbar. An dieser Stelle muss deutlich betont werden: Der jagdlich geführte VGP-Hund mit echtem Härtenachweis ist definitiv der wertvollere Zuchthund. Zwar könnten auch unter Umständen die Zuchthunde der Kategorie „Normalzucht“ diese Anforderungen erfüllen. Dann allerdings fragt man sich, warum dies nicht auch entsprechend dokumentiert wird. Auch der frühere Begriff „Normalzucht“, den man – aus welchen Gründen auch immer – als Zucht „aus leistungsgeprüften Eltern“ aufwertete, ist eigentlich unzutreffend gewählt. „Minimalzucht“ oder „Hunde aus anlagengeprüften Eltern“ wären eigentlich die korrekt zugeordnete Zuchtkategorie. Denn dabei handelt es sich lediglich um Hunde, die lt. ZO nur das absolute züchterische Minimum erfüllen. Genau über diese Definition und Zuordnung unserer Zuchtkategorien sollten wir bei der Überarbeitung unserer ZO nachdenken. Denn wer nicht fordert, der fördert auch nicht!
Doch weshalb ist der VGP-geprüfte und bejagte Hund der bessere und wertvollere Zucht- und Jagdhund? Um es vorwegzunehmen: Die VGP ist momentan der beste Wesenstest und epigenetisch sehr wertvoll!
Kommen wir zum Wesen. Jeder Jagdhund, der sich mit seinem Führer einer VGP stellt und diese besteht, hat den ultimativen Wesenstest bestanden. An zwei Prüfungstagen müssen bei einer Verbandsgebrauchsprüfung alle jagdlichen Fächer in Feld, Wasser und Wald absolviert werden. Nicht nur die schiere Fülle der Prüfungsfächer fordern selbst dem nervenstarken Jagdhund einiges ab. Auch die großen Reizeinwirkungen wie beim Gehorsam am abstreichenden und flüchtenden Wild, die vielen Verleitungen bei der Schweißarbeit und das Standtreiben oder die Fuchsfächer sind Messlatten für das Wesen des Jagdhundes, die bei Anlagenprüfungen wie VJP oder HZP keinerlei Rolle spielen. Ein wirklich wesensfester Hund wird damit kein Problem haben. Nicht umsonst ist die VGP die Meisterprüfung der Jagdgebrauchshunde und der Wesenstest schlechthin.
Um diese Meisterprüfung zu bestehen, muss man mit dem Hund auch alle Prüfungsfächer üben und bestenfalls sollte der Hund in diesen Fächern auch bejagt sein. An dieser Stelle kann ich nur jedem Hundeführer wärmsten empfehlen, den Hund von Beginn an mit allen jagdlichen Dingen vertraut zu machen, also direkt nach der Welpenübernahme. Dass dies dem Alter des Sprösslings angepasst geschieht, ist selbstverständlich. Somit werden alle notwendigen Gene aktiviert und dieses Genaktivitätsmuster wird sogar auch vererbt. Um diesen Prozess nachhaltig zu unterstützen, darf der Jagd- und/oder Zuchthund nach bestandener VGP nicht „in der Glasvitrine verschwinden“.
Das Phänomen der Vererbung von Genaktivitätsmuster ordnet man dem Bereich der Epigenetik zu. Erfahrungen der Elterntiere werden in Form epigenetischer Markierungen an zukünftige Generationen weitergegeben – sowohl im positiven (wenn die züchterisch wertvollen Gene aktiviert wurden) als auch im negativen Sinne (wenn nichts dergleichen geschah).
Dies ist oder war vermutlich etlichen Züchtern bisher nicht in dieser Deutlichkeit bewusst. Bevor man sich einer solchen Prüfung stellt, müssen die Hunde demzufolge üben und lernen, um entsprechende Verhaltensketten zu verinnerlichen. Dadurch wird eine Fülle an Genen aktiviert, die gerade für Zuchttiere so unerlässlich sind. All dies geschieht nur bei einem vielseitig bejagten VGP-Hund, und nur dieser sollte im Idealfall nach kritischer Analyse auch ein Zuchthund werden. Durch die bestandene VGP wird diese Vielseitigkeit dokumentiert. Diese Botschaft muss insbesondere bei Züchtern ankommen. Ganz nebenbei: Der VGP-geprüfte und vielseitig bejagte Hund ist nicht nur der bessere Zuchthund, sondern auch der intelligentere Hund. Mit solch einem gut durchgearbeiteten Jagdhund ist es eine Freude zu Jagen und man ist ein gern gesehener Jagdgast.
Warum müssen die Gene aktiviert werden? Und um welche Gene handelt es sich? Bei der Beantwortung dieser Fragen wollen wir uns nicht mit den molekularen Grundlagen (Methylierung am Cytosin, Modifikationen an den Histonen …) aufhalten, sondern sie anhand einiger jagdlicher Beispiele erläutern.
Schauen wir uns als erstes die Stöberarbeit an: Hier muss der körperlich geeignete Hund neben dem Stöberlaut über einen entsprechend gut ausgeprägten Beutetrieb und über einen guten Orientierungssinn verfügen. Wenn ein Züchter, der im Niederwildrevier zu Hause ist und die Notwendigkeit einer zu absolvierenden VGP für seine Zuchthunde nicht einsieht und diese Hunde (über Generationen) nie im Wald zur Stöberjagd eingesetzt werden, dann werden sich die Nachkommen auch bei der Einarbeitung und späterer Jagdpraxis im Wald schwertun. Im schlechtesten Fall verlaufen sie sich und müssen nach jeder Stöberjagd gesucht und eingesammelt werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass der Jagdhund sich nur auf die zu jagende Wildart konzentriert. Wenn ich z.B. schwerpunktmäßig mit meinen Kleinen Münsterländern auf Schwarzwild jage, sind Rehe z.B. – auch im „Rehpuff“ dann Tabu. Der wesensfeste KlM hat damit keine Probleme und lässt sehr verlockende Verleitungen links liegen und macht seine Arbeit. Falls mal kein Schwarzwild im Trieb ist, dann werden vom vielseitig bejagten Hund auch die Waldhasen und Waldschnepfen vor- und durchgestanden.
Allerdings wurde bei vielen Hunden das Fach „Vorstehen“ bei VJP & HZP irgendwie bestanden (wo leider Punkte oft sehr generös vergeben werden). Eine echte Förderung der Vorstehanlage und Festigung auch im Genaktivitätsmuster geschah dann oft nicht. Diese Versäumnisse könnten uns züchterisch mittelfristig auf die Füße fallen und die Vorstehanlagen darunter leiden. Schauen wir einmal die Schweißarbeit an. Auch diese Anlagen müssen gefördert werden. Denn nur der wesensfeste Hund wird ein Meister dieses Fachs: als Beispiel dafür mag dienen, wie zäh ein Hund sein und mit welcher Ausdauer er die Fährte voranbringen muss, damit verunfallte, leidende Kreaturen erlöst werden können. Dabei darf unser Jagdhund sich nicht durch die vielen anderen Verleitungen von der eigentlichen Fährte/ Spur abbringen lassen (Stichwort Wesen). Da Rehwild in Deutschland flächendeckend vertreten ist und wir auch überall Straßen haben, wird selbst der stramm jagende Niederwildjäger des Öfteren eine Nachsuche auf ein angefahrenes Stück Rehwild haben. Über Jagdethik möchte ich hier nicht diskutieren. Diese Selbstverständlichkeit setze ich unter uns Waidkameraden & Rüdemännern – und Frauen voraus. Gerade solche Nachsuchen von verunfallten Stücken haben es nämlich in sich und sind alles andere als leicht für den Hund und seinen Führer: Betrachten wir beispielsweise ein laufkrankes Stück Rehwild. Spätestens, wenn das Stück aus dem Wundbett aufgemüdet wurde und kein Fangschuss angetragen werden konnte, muss der Hund geschnallt werden. Da sich Rehwild bekanntlich selten stellt, muss es der scharfe und wesensfeste Hund niederziehen und abtun, damit dem Leid so schnell wie möglich ein Ende gesetzt wird. Solche Hunde müssen wildscharf sein. Jagdhunde, die über eine Raubzeug- und Raubwildschärfe verfügen, sind übrigens auch stets wildscharf (umgekehrt nicht immer), deshalb muss ein Zuchttier auch über einen echten Härtenachweis verfügen. Denn über die notwendige Schärfe bei einem Jagdhund darf nicht diskutiert werden – sie ist eine grundlegende Voraussetzung für jeden brauchbaren Jagdhund. Nur leider haben noch zu viele Züchter (inzwischen auch Deckrüdenbesitzer) den Härtenachweis bei ihren Zuchttieren nicht dokumentiert. Wer hierzu mehr erfahren möchte, dem kann ich den von mir veröffentlichten Bericht „Einarbeitung des KlM am Raubwild“ empfehlen. Dieser wurde im KlM-Heft 4 / 2022, S.298 ff veröffentlicht und kann über unsere Bundeshomepage unter Verband eingesehen werden (hier der Link: https://kleine- muensterlaender.org/media/2022/06/KLM-4-2022_internet.pdf). Sehr oft kommen z.B. Waschbären im Schilf bei der Entenjagd, in Brombeerdickungen bei der Such- oder Stöberjagd vor. Und wie oft wird um diese invasive Art von unseren Jagdhunden (egal welcher Rasse) ein Bogen gemacht? Fehlt diesen Jagdhunden die Erfahrung? Wurden sie nicht oder nicht gut genug auf diese Arbeit geprägt und eingearbeitet (Stichwort: Ehrlichkeit, Wesen, Epigenetik)? Oder haben sie vielleicht Angst vorm Raubwild? Wir alle wissen, dass gerade der Waschbär eine Geißel des Niederwildrevieres ist und aufs Schärfste entnommen gehört. So kann von unseren Jagdgebrauchshunden und gerade von Zuchttieren wohl erwartet werden, dass diese dann ihre Arbeit machen, wenn sie auf solch einen Gesellen treffen.
Der wesensfeste Kleine Münsterländer, der sich im Jagdbetrieb bewährt hat und seine Vielseitigkeit in Form einer bestanden VGP unter Beweis gestellt hat, einen echten Härtenachweis besitzt und damit über das nötige Genaktivitätsmuster verfügt, kann auch ein Zuchthund werden, falls die restlichen Kriterien erfüllt sind.
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich einen Punkt ansprechen, der sich ganz allgemein auf das Wesen, die Zucht und die natürliche Fortpflanzung negativ auswirkt: Die zu vermenschlichte Selektion. Stellen wir uns nur mal einen Hund vor, der einen Menschen anknurrt (ein schneidiger Rüde bei der Kontrolle der Hoden). Eigentlich sollte man froh sein, dass der Hund kommuniziert und nicht gleich beißt. Für nicht Wenige ist dieses Verhalten nicht tolerierbar und solche Hunde würden keine Zuchthunde werden. Oft sind es Fehlkommunikationen zwischen Menschen und Hunden, die z.B. beim Messen, der Zahnkontrolle oder Umarmungsgesten (Mensch umarmt Hund, weil es ihm ein Bedürfnis ist) zu vermeintlich aggressivem Verhalten führen. Wenn man immer nur auf „brav“ selektiert, muss man sich nicht wundern, dass man diesbezüglich uniforme Hunde erhält. In solchen Populationen/ Rassen fehlt dann das „Salz in der Suppe“. Deckrüden z.B. entwickeln sich zu Softies, denen der Schneid fehlt, ihre Gene weiterzugeben und die aufgrund falscher (aber gut gemeinter) Selektion auf „brav“ bei einer wesensfesten Hündin sich nicht einmal den Deckakt auszuüben getrauen.
Deshalb ist sehr wichtig, dass der KlM-Verband kompetente Schulungen über das Wesen von Hunden, das verantwortungsvolle Züchten und die Hundeausbildung für Züchter, Zuchtverantwortliche und Interessierte anbietet und so für Aufklärung und damit auch für Motivation sorgt. Außerdem wäre es sehr sinnvoll, neben der Lönssuche (die nur in Kombination mit einer Hasenspur als Pflichtfach, einem in die Bewertung einfließenden Härtenachweis und einer Zuchtschau der Jahrgangsbesten züchterisch ein Gewinn ist) eine von mir schon sehr lang geforderte Int. B-VGP in Kooperation mit unseren KlM-Freunden aus Tschechien und Österreich durchzuführen. Das wäre dann die Krönung – Frei nach dem Motto: NUR DAS BESTE FÜR DIE ZUCHT. Abschließend wünsche ich Ihnen mit Ihrem Kleinen Münsterländer viel Freude. Hoffentlich konnte ich Sie ermutigen, sich vielleicht doch einer VGP zu stellen, viel und vielfältig zu jagen, damit auch die richtigen Gene aktiviert sind – gerade bei unseren Zuchttieren. Nachfolgende Jägergenerationen werden es uns danken.
Hünfeld, im Januar 2025
Mit Münsterländerheil – André Hentze
